Gudrun Leitner | Credit: Friseur Leitner

Gudrun Leitner: Lehrlinge müssen jederzeit kündbar sein

Ober-Österreicherin Gudrun Leitner hat ihre Anzahl an Lehrlingen reduziert, setzt nun auf Assistenten und fordert neue Ansätze für Lehrverträge und Blockunterricht …


Im Interview mit Raphaela Kirschnick (Chef-Redaktion | imSalon Tageszeitung für Friseure)

Gudrun, Du hast die Anzahl Deiner Lehrlinge gekürzt, fehlt Dir da nichts?
GL:  
Ich habe zwei AssistentInnen ohne Lehrabschluss eingestellt, das funktioniert super.

Wie viel verdienen die Assistentinnen?
GL:
 Übertariflich zum Tarifvertrag für MitarbeiterInnen ohne Lehrabschluss. Zusätzlich erhalten sie auch Trinkgeld.

Wer sind diese Assistentinnen?
GL: 
Frauen, die keine Friseurlehre haben, eine zum Beispiel hat vorher in einer Bäckerei gearbeitet. Ich habe mit allen sehr gute Erfahrungen gemacht. Sie haben 1-2 Kinder, arbeiten Teilzeit, 25 Stunden, und sind so eingeteilt, dass sie zu Stoßzeiten im Salon sind.

Was sind die Vorteile?
GL:  
Das bewährt sich gut, weil die typischen Jugendthemen, wie der erste Liebeskummer, wegfallen. Das alles haben sie längst hinter sich, sind motiviert und wissen ein gutes festes Arbeitsverhältnis zu schätzen.

Schätzen Lehrlinge das nicht?
GL:
 Ich habe in den letzten Jahren einige schlechte Erfahrungen gemacht. Was die Jugend prägt, sind Sätze wie „Ist doch egal, dann bin ich halt krank“ und ein eingepflanzter Ruf nach Work-Life-Balance. Was ich auch immer wieder erlebe, ist, dass in diesen jungen Jahren irgendwann der Freundeskreis wechselt, da werden die dann wie gebrainwashed und man hat plötzlich vollkommen neue Persönlichkeiten vor sich.

„Die jungen Menschen sollen lernen, für ihr eigenes Fehlverhalten Verantwortung zu tragen.“

GL: Ein junger Mensch darf mit 16 über die Regierung unseres Landes bestimmen, aber im Lehrvertrag ist er geschützt bis zum Ende, das passt für mich nicht zusammen. Wenn ein Lehrling nicht mehr motiviert ist, dann kann ich mich nicht von ihm trennen.
Ich hatte einen Lehrling, der war bereits 18 Jahre, als er mit der Lehre begann. Im ersten Jahr war er sieben Wochen krank, davon einiges sehr suspekt. Das färbt ab, auf die, die ok sind. Also, was mache ich mit dem. Er ist erwachsen, welchen Schutz braucht er da? Die jungen Menschen sollen lernen für ihr eigenes Fehlverhalten Verantwortung zu tragen.

„Wir benötigen neue Lehrverträge.“

Wie könnte eine Lösung aussehen?
GL: 
Wir benötigen neue Lehrverträge. Lehrlinge sollten von beiden Seiten unter gleichen Bedingungen, ab 16 Jahren, jederzeit kündbar sein, der Kündigungsschutz gehört aufgehoben.

Glaubst Du, dann würden wieder mehr Salons ausbilden?
GL:
 Wir brauchen Lehrlinge, wir brauchen Fachkräfte. Aber die Unkündbarkeit, kombiniert mit allen anderen Problemen, bildet für viele Unternehmer eine zu hohe Hemmschwelle.

Welche anderen Herausforderungen siehst du noch?
GL:
 Das zweite Thema ist die Berufsschule samt Blockunterricht, weswegen Lehrlinge zusätzlich 3 Monate am Stück pro Jahr fehlen. Bei 6 Lehrlingen ist das egal, aber bei 1 oder 2 nicht mehr.

Wie würdest Du Berufsschulunterricht gestalten?
GL: 
Warum kann man nicht im ersten Jahr ausschließlich Berufsschule machen und dabei die gesamte Theorie vermitteln. Danach ist der Lehrling 2 volle Jahre im Salon, das wäre für alle viel praktischer, dann rechnet sich das auch. Lehrlinge würden mitarbeiten, dann kann auch das Lehrgeld höher sein.

Wer zahlt das erste Jahr auf der Berufsschule?
GL: 
Der Staat zahlt doch auch Schule bis zur Matura. Ich denke auch diese Schulform soll vom Staat gezahlt werden, das wäre nur fair. Es gibt viele Ideen, Fakt ist, es muss etwas getan werden. Das sagen auch viele andere Unternehmer.

„Es muss eine Belohnung geben für Betriebe, die ausbilden.“

Nun nehmen jährlich die Lehrlingszahlen weiter ab. Siehst Du weitere Anreize?
GL: 
Lehrlinge ausbilden ist ein Muss. Es gibt den Lehrlingsbonus, aber es muss eine Belohnung geben für Betriebe, die ausbilden. Zum Beispiel könnte man für diese die Kammerumlage streichen und Nicht-Lehrbetriebe zahlen im Gegenzug mehr, denn die Fachkräfte wollen später ja alle nutzen.

Viele wollen ausbilden, finden aber keine Lehrlinge.
GL:
 Ja, das ist das nächste Problem. Es werden halt alle Kinder auf Biegen und Brechen zum Studium gedrängt und die Lehre ist nach wie vor negativ behaftet. Jetzt ist zwar der Meister mit dem Bachelor gleichgestellt, aber das hat sich in den Köpfen noch nicht etabliert.

Wäre Innungsarbeit nichts für Dich?
GL:
 Politik ist nicht meine Welt. Als Unternehmerin bin ich es gewohnt eine Idee zu haben und diese umzusetzen. Die langsamen Mühlen der Politik würden mich verrückt machen.

Über Gudrun Leitner
Friseurin in 3. Generation (Großeltern, Gründer) in Haid
Salon Friseur Leitner feiert heuer 67 Jahre, seither Lehrbetrieb, der viele Landes- und BundesmeisterInnen ausgebildet hat! Gudrun Leitner ist Weltmeisterin, Jugendeuropameisterin, Bundes u. Staatsmeisterin mit langjähriger, weltweiter Bühnenerfahrung und Seminartätigkeit für Goldwell.

https://www.friseur-leitner.at/de/