Dass Friseure, Kosmetiker und Make-up Artists gemeinsam branchenübergreifend Neues wagen, wünscht sich Henriette Turbucz © Andrea Kirchmaier
Dass Friseure, Kosmetiker und Make-up Artists gemeinsam branchenübergreifend Neues wagen, wünscht sich Henriette Turbucz © Andrea Kirchmaier

Henriette Turbucz: Ich setze mich dafür ein, dass ‘Brautstylist’ anerkannt wird

Verunsicherte Bräute und unsensible Kunden, die Einforderung des Testens als gutes Marketing und der Wunsch, dass Friseure, Kosmetiker und Make-up Artists branchenübergreifend Neues entwickeln.

Viel positive Resonanz gab es auf das offene Interview von Mobilfriseurin und Brautstylistin Henriette Turbucz Anfang des Jahres. Mit welchen neuen Herausforderungen die Gruppe der mobilen Friseure zu kämpfen hat und warum sich Henriette nun für die Anerkennung der Bezeichnung “Brautstylist” einsetzen möchte …

Ein Gespräch mit Katja Ottiger
 

Deine Anfahrtspauschale für mobile Dienstleistung, über die du in unserem Interview gesprochen hast, haben für positive Reaktionen gesorgt, wie ging es für dich weiter?
Henriette Turbucz: Anfahrtskosten haben definitiv für Gesprächsstoff gesorgt. Auf das Kilometergeld haben mich viele angesprochen, die das genauso sehen, egal ob Mobile oder Angestellte. Denn es ist ein Problem, wenn die Zeit, die man im Auto verbringt, nicht vergütet wird. Andere Handwerker tun das auch. Wir müssen hier für Umdenken sorgen. Meine Kunden sind bereit, Anfahrtskosten zu zahlen, weil ich das Warum kommuniziere.

Wie war die Resonanz innerhalb der Mobilen auf das Interview?
HT: Sehr positiv, weil wir im Interview Sachen angesprochen haben, die uns wichtig sind. Denn nach wie vor sehen auch wir unser Problem in Kollegen, die schwarz arbeiten. Corona hat das noch verschlimmert. Denn es gibt einige Kollegen, die in den Salons gekündigt haben und Kunden nebenbei zu Hause bedienen bzw. in der Kurzarbeit.

Henriette beim Holi Festival der Farben © Mila Zytka/wardanetwork.at

Indola ist Partner mobiler Friseure und hat dich nach dem Interview kontaktiert.
HT:
 Ja, ►Barbara Klapper  von Indola lud mich ein, gemeinsam mit der Cambio Beauty Academy beim ►Holi Festival der Farben dabei zu sein. Wohin diese Kooperation künftig führen kann, weiß ich noch nicht. Ich könnte mir vorstellen, mich im Bereich Einzelworkshops für Hochstecken und Zusatzdienstleistungen für Mobile einzubringen. Denn ich möchte, dass Friseure einen besseren Ruf im Hochstecken bekommen.

Wie meinst du das?
HT: Nicht jede Friseurin, jeder Friseur, kann oder möchte Haare locker hochstecken wie es gerade gefragt ist. Das ist es aber, was Kundinnen sich wünschen. Ich selbst bezeichne mich als Brautstylistin, denn ich mache alles, was man am Tag einer Hochzeit braucht.

„Ich möchte mich dafür einsetzen, dass „Brautstylist“ eigenständig anerkannt wird.“

Aber du bist auch Friseurmeisterin…
HT:
 Ja, aber ich möchte mich dafür einsetzen, dass „Brautstylist“ eigenständig anerkannt wird. Friseure beanspruchen die Bezeichnung „Hairstylist“ für sich und strafen Make-up-Artists ab, die Hairstylings, z.B. für Hochzeiten anbieten. Sie machen sich aber nicht bewusst, dass alle, die im Hochzeitsbereich erfolgreich sind, sich regelmäßig und für viel Geld weiterbilden. Auch in Deutschland ist das ein Riesenthema: Als Make-up Artist darfst du keine Frisuren machen, außer beim Fotoshooting. Nur, es wird dir überall abverlangt. Kaum einer lässt sich zusätzlich einen Friseur kommen. Rechtlich aber bewegt man sich da in einer Grauzone.

Was wäre dein Vorschlag?
HT: Es könnte eine eigenständige Prüfung zum „Brautstylist“ geben. Für Make-up Artists und Kosmetiker, die es ihnen erlaubt, reines Hairstyling- und ich rede hier nicht vom Haareschneiden oder Haare färben – anbieten zu können. Warum können sich hier Kosmetiker, Make-up Artists und Friseure nicht die Hände reichen und branchenübergreifendes neu entwickeln?

Im Vorfeld zu unserem Gespräch sagtest du, dass sich seit Corona manches eigenartig verlagert hat. Wie meinst du das?
HT: Ich habe gefühlt täglich mit kurzfristigen Anfragen für Hochzeiten zu tun. Da frage ich mich, ob einige Kollegen aufgehört haben oder ob Kunden ihre Stylistin für einen besseren Auftrag stehen lassen? Es häufen sich auch die Anfragen, ob da nicht noch etwas im Preis zu machen ist, denn sie heiraten ohnehin nur im kleinen Kreis.
Was auch zugenommen hat, ist das Ghosting: Die Leute stellen Terminanfragen, reservieren, sagen aber nicht zu oder ab. Mit der Folge, dass ich selbst nachfragen muss, was meine Zusatzarbeiten verstärkt. Das geht aber nicht nur mir so, ich bekomme das auch von anderen mit.

„Corona: Man spürt die Angespanntheit der Bräute – die Unbeschwertheit fehlt.“

Es bedarf auch mehr Organisation im Vorfeld: Ich muss Bräuten gut zureden, denn neben der Unsicherheit, ob die Hochzeit wirklich stattfinden kann und wie viele Menschen zugelassen sein werden, lässt die Freude auf die eigene Hochzeit nach. Man spürt die aufgestaute Anspannung, die Unbeschwertheit fehlt.

Zu einer deiner Zusatzdienstleistungen gehört jetzt auch Permanent Make-up? Warum?
HT:
 Weil es die perfekte Ergänzung zum Brautservice ist. Gerade dann, wenn weniger geheitratet wird. Im Sommer ist das mitunter die „Hölle“, da ist jedes meiner Wochenenden verplant. In den Zeiten, in denen weniger geheiratet wird, im Herbst und Winter, fokussiere ich auf Permanent Make-up mit ganz natürlichen Looks. Ich bin Augenbrauenspezialistin, auf Basis von Pudertechniken und biete Wimpernkranzschattierungen an.

Wie hat sich die Gruppe der Mobilen Friseure in den letzten Monaten entwickelt?
HT: Es ist still geworden, seit der Lockdown vorbei ist. Keiner beschwert sich, alle haben gut zu tun, wie jeder, der als Einzelunternehmer unterwegs ist.
Neu ist das Unverständnis, das Kunden einem entgegenbringen, wenn du in den Urlaub gehst oder einfach keinen Termin frei hast. Die Krönung war während des Lockdowns, als ich nicht zu ungetesteten Kunden wollte und die doch tatsächliche meinten: „Wenn das so ist, hast du den Konkurs verdient.“

„Ich habe mehr Kunden durch das Testen bekommen.“

Du hast von Anfang an klargemacht, dass du nur Kunden empfängst oder Kundenbesuche nur machst, wenn alle im Haushalt getestet sind?
HT: Ich stand immer offen zum Testen und muss sagen, das war gutes Marketing. Ich habe mehr Kunden bekommen und mehr Umsatz gemacht. Vor allem Kunden, die aus welchen Gründen auch immer, nicht in einen Friseursalon gehen wollten oder konnten. Ich muss aber auch sagen, ich war physisch, psychisch und zeitlich an meinen Grenzen.

Hat sich etwas an der Situation zwischen mobilen Friseuren und Salons geändert?
HT: Ich denke, solange nicht härter gegen die Geschäfte ohne Meistertitel vorgegangen wird, wird sich nicht viel ändern. Ich wünschte mir, dass für unsere Branche die Mehrwertsteuer gesenkt wird. Warum haben wir 20 Prozent, während die Gastro bis Ende 2022 auf 5 Prozent gesenkt wurde? Sind wir ehrlich, die großen Salons, die mit mehreren Filialen und Mitarbeitern, sind nicht ausgebucht. Nur einige wenige Salons sind wirklich voll. Es braucht für unsere Branche finanzielle Entlastung, auch für die Kosmetiker.

Was sind deine persönlichen Pläne für den Restsommer?
HT: Ehrlich? Aktuell die Hochzeitssaison überleben. Ich wünsche mir, dass sich alles normalisiert und wir wieder unbeschwerter werden können und dass Umarmungen wieder stattfinden können. Ich wünschte mir, ich könnte mich einfach kurz nach Hause beamen und alles wär wie früher.

Über Henriette Turbucz:

  • Friseurmeisterin mit Studio und Anbieterin mobiler Friseurdienstleistungen
  • Hair& Make-up Artistin mit Brautfokus und Studio in Brunn am Gebirge
  • Initiatorin der Facebook-Gruppe „Mobile Friseure“ (DACH)
  • Instagram: @henriette_hair_makeup