{"id":26421,"date":"2022-06-21T11:27:36","date_gmt":"2022-06-21T09:27:36","guid":{"rendered":"https:\/\/jokira.at\/?p=26421"},"modified":"2022-06-21T11:29:23","modified_gmt":"2022-06-21T09:29:23","slug":"klara-richarzhagen-aendert-sich-das-duale-system-nicht-bilde-ich-nicht-mehr-aus","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/jokira.at\/news\/klara-richarzhagen-aendert-sich-das-duale-system-nicht-bilde-ich-nicht-mehr-aus\/","title":{"rendered":"Klara Richarzhagen: \u00c4ndert sich das duale System nicht, bilde ich nicht mehr aus"},"content":{"rendered":"\n

Das duale System ist gestrandet, Lehrlingsgeh\u00e4lter m\u00fcssen nach oben. Friseurunternehmerin Klara Richarzhagen aus K\u00e4rnten sieht die Zukunft der Ausbildung in einer mehrj\u00e4hrigen Fachschulausbildung.<\/strong><\/p>\n\n\n\n

Im Interview mit Katja Ottiger<\/em> von imSalon.at<\/a>

Klara, du bist seit 25 Jahren im Gesch\u00e4ft, auch in der Lehrlingsausbildung, und hast derzeit zwei Lehrlinge\u2026<\/strong>
Klara Richarzhagen:<\/strong> \u2026 ja leider, und so wenige wie noch nie! Wenn sich das duale System mit der Ausbildung \u00fcber die Berufsschule und den Betrieb nicht \u00e4ndert, werde ich die Ausbildung in meinem Salon auch auslaufen lassen. Ich habe in meiner Karriere mehr als 50 Lehrlinge ausgebildet, zumeist hatten wir 3 oder 4, manchmal sogar 5 Lehrlinge. Aber jetzt mag ich nicht mehr.

Warum?
KR:<\/strong> Man muss erkennen, dass wir mit damit gestrandet sind wie ein Pottwal. Das duale System, Lehre mit Matura, \u201eKarriere mit Schere\u201c\u2026 Wir haben in den letzten 10 Jahren 47 Prozent an Lehrlingen verloren. Die Friseurlehre ist absolut unattraktiv.<\/p>\n\n\n\n

Was denkst du, ist unattraktiv?
KR:<\/strong> Was wollen junge Menschen? Studieren oder eine FH besuchen! Die, die heute noch lernen, sind in der Regel die, die f\u00fcr die Schule zu schwach sind. Ich hatte schon lange keinen Lehrling mehr, der oder die den Beruf aus Leidenschaft lernt, sondern weil er oder sie nicht mehr in die Schule gehen m\u00f6chte. Diese haben aber nicht immer das richtige Potential. Unser Beruf hat sich ver\u00e4ndert, ist anspruchsvoller geworden, wie unsere Kund*innen. Wir ben\u00f6tigen Mitarbeiter*innen, die erkennen, dass es zum Haare schneiden und f\u00e4rben auch Hirn braucht und unternehmerisches Denken.<\/p>\n\n\n\n

\u201eWenn sich ein Betrieb einen Lehrling mit 500 Euro nicht leisten kann, sollte man eher \u00fcber eine Betriebsschlie\u00dfung nachdenken.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Auch die Lehrlingsgeh\u00e4lter m\u00fcssen nach oben, mindestens auf 500 Euro plus! Wir wollen junge, gepflegte, gut ausgebildete Mitarbeiter, aber zahlen ihnen einen Hungerlohn. Wenn sich ein Betrieb einen Lehrling mit 500 Euro im ersten Lehrjahr nicht leisten kann, sollte man eher \u00fcber eine Betriebsschlie\u00dfung nachdenken, als \u00fcber einen Lehrling.

Ausbildung neu denken \u2013 was ist dein Vorschlag?
KR:<\/strong> Ich denke an eine 2 bis 3 -j\u00e4hrige Ausbildung ohne Matura. Neben der Fachausbildung mit unternehmerischem Denken in einer Schule sollte ein regelm\u00e4\u00dfiges Praktikum gemacht werden, um Kontakt zu Betrieben zu bekommen, in denen die jungen Leute sp\u00e4ter auch wirklich einmal arbeiten m\u00f6chten.<\/p>\n\n\n\n

\u201eUnd um das Lohnniveau anzuheben, brauchen wir Mitarbeiter*innen mit unternehmerischem Denken.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Also \u00e4hnlich der Ausbildung in der Modeschule Hallein?
KR:<\/strong> Ja. Jugendliche wollen heute mehr als Lehre, deshalb finde ich die Modeschule Hallein interessant. Wir alle wissen, die Abg\u00e4nger*innen sind keine voll ausgebildeten Stylisten. Aber sind wir ehrlich: Wir stellen uns trotzdem an, um deren Absolvent*innen zu rekrutieren. Denn sie lernen in einer Fachschule den Beruf plus Unternehmerwissen mit gleicher Ausbildungsm\u00f6glichkeit f\u00fcr alle und nicht in unterschiedlichen Salons mit mehr oder weniger guten Ausbildern. Wir alle wollen gute Preise machen k\u00f6nnen und anspruchsvolle, gut zahlende Kunden. Und um das Lohnniveau anzuheben, brauchen wir Mitarbeiter*innen mit unternehmerischem Denken. Das lernt man nicht in der Berufsschule.<\/p>\n\n\n\n

Nehmen wir ein Beispiel: Hotelfachschule Villach! Die Gastro rei\u00dft sich um diese Absolvent*innen, weil sie wissen, dass sie nicht nur das Handwerk erlernen, sondern auch Unternehmerdenken. Solche Mitarbeiter*innen sind ehrgeiziger, sie m\u00f6chten nicht nach Kollektiv arbeiten. Wer sich bei mir mit Kollektivvertrag zufrieden gibt, den will ich nicht. Ich will die, die mehr verdienen wollen, denn die sind bereit, mehr zu leisten.

Das alles geht mit dem dualen System nicht?
KR:<\/strong> Wie viele bilden denn noch aus? 22 Prozent? Ein Gro\u00dfteil der Unternehmen sind Kleinunternehmer, mit ein, zwei Mitarbeitern oder mobil. Und wie viel Vermittlung von Wissen passiert in einer Woche im Betrieb? Zwei Stunden? Die restliche Zeit verbringt der Lehrling mit Standards: zusammenkehren, Haare waschen, eventuell Ansatzfarbe, Handt\u00fccher, Kaffee. Ich selbst habe Haare schneiden noch am Kunden gelernt. Aber heut ist das anders, die Preise und Anspr\u00fcche steigen. In der Zeit, in der ich im Gesch\u00e4ft stehe, schaffe ich es nicht mehr, auszubilden. Abends und am Wochenende darf ich nicht. Ich kann aber Lehrlinge erst an Kund*innen lassen, wenn sie gut genug sind.<\/p>\n\n\n\n

\u201eWer sich bei mir mit Kollektivvertrag zufriedengibt, den will ich nicht.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Ihr setzt bei eurer Ausbildung auf den \u201eLehrlingsdienstag\u201c\u2026
KR:<\/strong> Stimmt, aber das ist v\u00f6llig personenabh\u00e4ngig von meinem Mann (Ernst Gradisar, Anm.),<\/em> ohne ihn ist das nicht m\u00f6glich. Jeden Dienstag bekommen die Lehrlinge ein 8-st\u00fcndiges, auf sie ausgelegtes Training in Theorie und Praxis, bekommen Hausaufgaben und Auftr\u00e4ge, die sie zu erledigen haben. Aber selbst das ist zu wenig. \u00c4ndert sich nichts im System, steigen wir auf Hilfskr\u00e4fte um, die wir uns selbst nach ihren St\u00e4rken ausbilden.<\/p>\n\n\n\n

\u201eBesser St\u00e4rken f\u00f6rdern, als in Schw\u00e4chen investieren.\u201c<\/p>\n\n\n\n

Setzt ihr auf Spezialisierungen im Salon?
KR:<\/strong> Ja, auf Haarschnitt oder Coloration. Unsere Mitarbeiter*innen k\u00f6nnen zus\u00e4tzlich w\u00e4hlen, ob sie im Herren- und Barberbereich arbeiten m\u00f6chten. Man muss heute kein Allrounder mehr sein. Es ist besser, St\u00e4rken zu f\u00f6rdern, als in Schw\u00e4chen zu investieren. Corona hat uns Friseuren geholfen, den Menschen unsere Wertigkeit bewusster zu machen, nur leider machen wir Friseur*innen zu wenig daraus. Wir setzen bei uns im Salon auf die 4 Tage Woche mit \u00dcberbezahlung, auch f\u00fcr die Lehrlinge. Wir arbeiten zu 100 Prozent auf Anmeldung, mit digitaler Zeiterfassung und wir haben jeden Tag alle Mitarbeiter*innen im Gesch\u00e4ft. Wir leben unsere Work-Life-Balance: Mit wenig Aufwand viel Arbeiten und danach Freizeit genie\u00dfen.<\/p>\n\n\n\n

\u00dcber Klara Richarzhagen:<\/strong><\/p>\n\n\n\n