Die Branche muss sich nach der Jugend richten: das jetzige duale System hinterfragen und eine moderne Friseur-Ausbildung ähnlich einer FH andenken.
Im Gespräch mit Katja Ottiger von imSalon.at
„Die Ernsthaftigkeit bei den Jugendlichen empfinde ich heuer als besonders schwierig.“
imSalon: Sonja, du bildest seit vielen Jahren aus. Zuerst bei Bundy Bundy, seit über 13 Jahren auch in deinen eigenen Salons. Wie schaut es bei dir mit Lehrlingen aus?
Sonja Horvath Heuer ist es sehr schwierig. Ich habe zwar Bewerber*innen, aber es ist nicht so einfach mit ihnen einen Termin zu vereinbaren bzw. sagen sie kurzfristig ab. Die Ernsthaftigkeit bei den Jugendlichen empfinde ich in diesem Jahr als besonders schwierig. Vielleicht halten sie sich auch weitere Optionen offen?
Wie findest du das duale Ausbildungssystem in Österreich?
SH: Als nicht mehr zeitgemäß. Ich bin seit 42 Jahren Friseurin, für mich war die Ausbildung damals schon langweilig. Unser System entspricht nicht mehr der Jugend und ich denke, dass die gesamte Ausbildung mit den Lehrbetrieben besser abgestimmt werden muss.
„Warum nicht das erste Jahr komplett in der Schule unterrichten?“
Was wäre dein Vorschlag?
SH: Die Berufsschule sollte eine Fachhochschule sein, so wie in anderen Berufen auch. Mit Praxis in einem Betrieb und anschließender LAP. Warum nicht das erste Jahr komplett in der Schule unterrichten und danach in die Salons in die Praxis wechseln?
Sonja Horvath bildet seit vielen Jahren Lehrlinge aus | Credit: Jennifer Vass
Ein Beispiel: In der Berufsschule lernen sie derzeit Farbe auftragen im 2. Lehrjahr. Bei mir im Salon können sie nach drei Monaten bereits Augenbrauen- und Wimpernpflege, Haarwäsche, Kopfmassage und Farbe auftragen. Nach Weihnachten beginnen sie mit Strähnentechniken, im zweiten Lehrjahr beginnen wir mit dem Schnitttraining. Junge Leute wollen kreativ arbeiten und gefordert werden!
Wie wäre die finanzielle Unterstützung, sprich Lehrlingsentschädigung?
SH: Die Ausbildung gehört staatlich finanziert. Erst von dem Zeitpunkt an, an dem sie die Praxis im Salon machen, sind die Lehrherren verantwortlich.
Würdest du es gut finden, wenn Lehrlinge in der Zeit ihres Praktikums Erfahrungen in unterschiedlichen Salons machen?
SH: Nein, ich würde sie gern die ganze Zeit bei mir im Salon haben und ausbilden.
Hast du Erfahrungen im alternativen Ausbildungssystemen?
SH: Nicht direkt. Ich habe einem Freund meiner Tochter, der in der Modeschule in Hallein die Hairstylisten Ausbildung macht, während Corona via Teams etwas unterstützt. Das System in Hallein finde ich sehr gut und ich denke, dass sie dort eine Top-Arbeit machen.
„Bei der Dauerwelle verwenden wir keine klassischen Dauerwellwickler mehr, sondern arbeiten mit eigenen Techniken“
Ist Dauerwelle in der Ausbildung noch angesagt oder wäre es sinnvoll, auf zeitgemäße Dienstleistungen wie Balayage zu fokussieren?
SH: Mir ist wichtig, dass Balayagen in der Schule mehr gelehrt werden. Die Dauerwelle ist wieder im Kommen, die machen wir sehr viel. Und Kund*innen sprechen mich explizit darauf an, weil sie anhand meines Alters vermuten, dass ich das kann.
In der Dauerwelle-Ausbildung könnte man mit modernen Wicklern zu arbeiten. Wir verwenden keine klassischen Dauerwellenwickler, sondern arbeiten mit „Würschtel“wicklern. Man muss nur wissen, wie man sie richtig anlegt. Dafür haben wir uns im Team spezielle Techniken zurechtgelegt: Wie teile ich ab, was stelle ich auf, was lege ich quer?
Ist das Wording „Lehre“ noch aktuell?
SH: Nein, deswegen ja: Fachhochschule! Jugendliche möchten keine Lehre mehr machen. Mein Sohn beispielsweise studiert Geschichte, meine Tochter ist an der Modeschule in Hetzendorf. Sie wollte keine “Lehre” machen. Sie schließt die Modeschule mit Unternehmerprüfung und Matura ab. Sollte sie doch in meine Fußstapfen treten wollen, schicke ich sie ein Jahr zu Vidal Sassoon nach London sofern sie das möchte, anschließend für die Praxis in meinen Salon und danach zur LAP.
Was hältst du von Lehre mit Matura?
SH: Ich habe keine gute Erfahrung damit gemacht, zu oft haben diejenigen die Lehre wieder abgebrochen. Ich bevorzuge Jugendliche, die die Matura schon haben, sie sind älter und reifer. Hierfür muss dann allerdings beim Lehrlingsgesetz nachgefasst werden, da sie vom Gesetz her volljährig sind.
Friseurassistenten bei “ihrem” Fotoshooting | Credit: Jennifer Vass
Was bietest du deinen Lehrlingen zusätzlich an?
SH: Im April haben sie beispielsweise erst ein ►Fotoshooting im Schwarzkopf Studio machen können und hierfür alles selbst organisiert! Der Gedanke dahinter war, dass ich früher in meinen Salons am Flatscreen die Videos von Bundy Bundy laufen ließ und auch weiterhin etwas in der Art haben wollte. Also entstand die Idee eines eigen Shootings.
Könntest du dir vorstellen, Berufsschullehrerin zu werden?
SH: NJAAAAA… Als ich von den Bundys weg bin, haben mich zwei Bundesländer daraufhin angesprochen. Aber ehrlich, da müsste ich mich in das Schulungskonzept einordnen. Das ist nichts für mich, ich bin eine kreative Arbeiterin (lacht).
Und Berufsschullehrerin werden, weil ich dann ein geregeltes Einkommen hätte? Auf keinen Fall! Teilweise sind in den Berufsschulen Selbstständige tätig, die in ihren Salons selbst keine Lehrlinge ausbilden, aber als Lehrer arbeiten. Für mich unverständlich, wie das gehen kann.
“Ich würde mir wünschen, dass jeder, der einen Salon hat, ernsthaft darüber nachdenkt, auszubilden.”
Möchtest du deinen Kolleg*innen etwas mit auf den Weg geben?
SH: Ich bin jetzt seit 42 Jahren Friseurin und würde es immer wieder machen. Ich habe sehr viele Jugendliche ausgebildet, allein bei Bundy Bundy pro Jahr fünf! Ich würde mir wünschen, dass jeder, der selbstständig ist und einen Salon hat, ernsthaft darüber nachdenkt, auszubilden.