Was ist eigentlich die Überbetriebliche Lehrausbildung und wie werden diese Lehrlinge dem Friseurmarkt zugeführt? Wie viel kostet das und vor allem wie erfolgreich ist das Programm? Das beantwortet AMS Vorstand Dr. Johannes Kopf …
Im Interview mit Raphaela Kirschnick
Die Überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) soll Jugendlichen ohne sofortige Lehrstelle den Einstieg in eine Ausbildung ermöglichen. Wie stellen Sie sicher, dass ÜBA-Teilnehmende möglichst rasch in betriebliche Lehrstellen übertreten und Ausbildungsbetrieben nicht „entzogen“ werden?
Dr. Johannes Kopf: In Österreich gibt es eine Ausbildungsgarantie: Diese garantiert allen Jugendlichen bis 25 Jahre eine Ausbildungsmöglichkeit, auch wenn sie keinen regulären Lehrplatz in einem Betrieb finden. Das AMS übernimmt in diesem Zusammenhang nicht nur eine berufliche, sondern in vielen Fällen auch eine sozialpädagogische Betreuung. Es geht darum, diese Jugendlichen auf ein reguläres Berufsleben oder auch Leben als Lehrling vorzubereiten. So wird ihnen in weiterer Folge eine Integration in Firmen ermöglicht. Die Zielgruppe, um die sich das AMS dabei annimmt, sind vielfach Jugendliche mit persönlichen und psychischen Problemen; oft mangelt es an sozialen Fertigkeiten oder schulischen Grundkenntnissen. Zudem erschweren vielfach schlechte Deutschkenntnisse die Lehre in einem Betrieb noch zusätzlich.
Wie gelangen diese Jugendliche dann in reguläre Ausbildungsbetriebe?
Dr. JK: ÜBA-Schulungsinstitute, über die das AMS überbetriebliche Lehren anbietet, haben laufenden Kontakte zu potenziellen (Ausbildungs-)Betrieben. Daher werden Lehrlinge, die in einer ÜBA gelernt haben, einem regulären Arbeitsleben nachzugehen, bereits lange vor Abschluss ihrer Ausbildung von Betrieben abgeworben. Diese Lehrlinge haben nach ihrer Zeit bei den ÜBA-Schulungsbetrieben viele fachliche und persönliche Qualifikationen erworben, die sie für Ausbildungsbetriebe attraktiv machen. Sie können daher in einen regulären Lehrbetrieb übernommen werden und am freien Markt ihre Lehre abschließen. Das betrifft weit mehr als die Hälfte aller ÜBA-Lehrlinge.
Wie viele ÜBA-Teilnehmende wurden in den vergangenen fünf Jahren erfolgreich in betriebliche Friseurlehrstellen vermittelt? Gibt es dazu aktuelle Statistiken, idealerweise nach Bundesland und Lehrjahr?
Dr. JK: Leider haben wir dazu keine Statistiken.
Für Wien liegen zum Lehrberuf FriseurIn folgende branchenspezifische Zahlen vor: durchschnittlich rund 110 ÜBA-Lehrlinge pro Jahr (ca. 16 % des Wiener Friseurlehrlingsmarkts), etwa 18 treten jährlich zur LAP an, rund die Hälfte besteht; über drei Jahre ergibt das eine grobe Abschlussquote von etwa 10 %. Wie erklären Sie diese Ergebnisse, und welche Maßnahmen setzen Sie zur Verbesserung?
Dr. JK: Das AMS entwickelte diverse Unterstützungsmaßnahmen, um den Jugendlichen soziale Fertigkeiten zu vermitteln, sie bei persönlichen Problemlagen zu unterstützen, ihre Deutschkenntnisse zu erweitern und sie so weit zu fördern, dass sie bereit für einen regulären Lehrbetrieb sind. Grundsätzlich ist das AMS immer bestrebt, die Jugendlichen so rasch wie möglich mit regulären Lehrbetrieben zu matchen.
Die Wiener Friseurinnung kritisiert mangelnde Praxisnähe sowie eine aus ihrer Sicht verzerrte Wettbewerbssituation durch die ÜBA (Stichworte: Praxisanteil, Arbeitszeiten wie „freitags bis 15 Uhr / samstags frei“). Wie beurteilen Sie diese Kritik und welche Standards gelten für Praxisumfang und Arbeitszeiten in der ÜBA?
Dr. JK: Wie in der ersten Antwort bereits erklärt, geht es bei der ÜBA nicht nur um die berufliche Ausbildung. Gerne laden wir jeden Ausbildungsbetrieb ein, entsprechende Lehrstellen zu melden und die Lehrlinge aus der ÜBA zu übernehmen.
Die Arbeitszeiten orientieren sich an den allgemeinen Schulungszeiten des AMS.
Können Sie die Kostenstruktur grob skizzieren (Standorte/Salonräumlichkeiten, Ausbildungspersonal, Kooperationen mit Berufsschulen, Lehrlingsentschädigung, Sozialversicherungsbeiträge, Material etc.)?
Dr. JK: Finanziert wird die ÜBA durch das AMS, ergänzend teilweise durch die Länder und in Wien ergänzend zusätzlich durch den WAFF.
Leider können wir diese Zahlen nicht für einzelne Berufsgruppen gesondert auswerten. Die ÜBA für Lehrberufe wird bei uns als Programm geführt, das eine Vielzahl an Ausbildungen und Berufe umfasst. Insgesamt betrugen die Aufwendungen des AMS für die Überbetriebliche Lehre im Jahr 2024 rund 90,8 Millionen Euro.
Es wird von geschlechtergetrennten Gruppen in migrantisch geprägten Klassen berichtet. Gibt es solche Konstellationen in der ÜBA? Aus welchen Gründen (pädagogisch, organisatorisch) erfolgen sie, und wie stellen Sie dabei Gleichbehandlung und Integration sicher?
Dr. JK: In der ÜBA gibt es keine geschlechtergetrennten Ausbildungszweige.
Herr Dr. Kopf, ich bedanke mich für die Ausführungen.

