Mit Schere und Papier beginnt die Online-Journey in der Hairdressing.school. Das digitale Ausbildungs-Konzept richtet sich direkt an Friseurunternehmen und setzt auf Intuition, Psychologie und einige Turbobooster …
Wir sprachen mit Hannes Trummer, der neben David Rinner, Co-Founder der Hairdressing.school ist. Das Online-Ausbildungskonzept, das seit über 10 Jahren entwickelt wird und welches bereits über 160 Personen durchlaufen haben bzw. derzeit durchlaufen, verspricht das Rundum-Sorglos-Paket für alle Unternehmerinnen und Unternehmer zu sein, die ihren Erfolg und den Aufbau von Personal selbst in die Hand nehmen möchten.
Wie Anfang Februar offiziell bekannt gegeben wurde, setzt bereits Multi-Marken Partner HAIR HAUS auf Partnerschaft und ►unterstützt die neue digitale Ausbildung.
Hannes Trummer im Gespräch mit Raphaela Kirschnick von imSalon
Ein neuer pädagogischer Ansatz
Hannes, was ist die neue Hairdressing.school?
Hannes Trummer: In erster Linie geht es um Empowerment. Dafür haben wir einen neuen pädagogischen Ansatz entwickelt, den es so noch nicht gab.
Das beantwortet natürlich meine Frage noch nicht. Was verbirgt sich hinter deinem neuen pädagogischen Ansatz?
HT: Die Intention ist anders zu lehren, als es bisher üblich ist. Ich muss da etwas ausholen, ich war früher in der Schule nie happy damit, wie das normale Schulsystem funktioniert. Nach zweimaligem Sitzenbleiben hab ich irgendwann die Matura geschafft, aber das war eigentlich immer sehr mühselig, wie da gelehrt wurde, und das setzte sich in Uni und Friseurlehre weiter fort.
Erst Intuition und dann Wissen
Was kritisierst du konkret?
HT: Du hörst ständig, hey du bist gut oder du bist nicht gut, und viele Menschen nehmen das persönlich.
Wir lernen, wir nehmen die Informationen auf und füllen unseren Kopf, der wird immer größer und erst nach einer sehr langen Zeit setzt sich das Wissen. Dann kann langsam die Intuition kommen. Das ist leider ein Prozedere, das viel Zeit und viel Energie kostet.
Wir machen das genau umgekehrt. Wir gehen von der Intuition aus und bauen deine Intuition auf, dann erst holst du dir das Wissen, so wie du das brauchst und willst. Damit sagen wir auch, JEDER kann das lernen, das ist kein Scherz, also auch Menschen mit zwei linken Händen oder welche, die überzeugt sind, sie können das nicht lernen. Das Einzige, sie müssen dabei bleiben.
Wie lange?
HT: Insgesamt 90 Stunden müssen investiert werden, davon maximal 60 – 90 Minuten am Tag, das ist nach dem Mikrolearning-Prinzip aufgebaut. Wir empfehlen 5 Tage, dann 2 Tage Pause, also insgesamt also insgesamt 18 Wochen. In dieser Lerneinheit sollte der Lernende nicht gestört werden.
Was ist Mikrolearning?
HT: Mikrolearning heißt, dass die Lerninhalte häppchenweise präsentiert werden. Es gibt einen interessanten Versuch, der das gut zeigt: Da wurden Ärzte in zwei Gruppen zu einem Thema geschult. Die eine Gruppe lernte an zwei Tagen mit jeweils 8 Stunden. Die zweite Gruppe hat den Stoff auf 4 Wochen verteilt gelernt. Dann wurden die Ärzte getestet. Die Ärzte der erste Gruppe machten 25% mehr Fehler. Was passiert ist, ist einfach. Wir können nicht mehr als 20 Minuten aufmerksam sein.
Wie kommst du auf das alles?
HT: Ich hab wahnsinnig viele Bücher gelesen, ich hab in den letzten Jahren durchgehend Seminare besucht, ich hab die Ausbildung zum systemischen Aufstellungsleiter, ich hab eine Hypnoseausbildung und noch so einiges. In unser System fließt das und eben auch zahlreiche Studienerkenntnisse mit ein.
Wir nutzen ein ganz anderes Wording, dass das Ganze emotionalisiert.
Wie läuft euer Kurs nun konkret ab?
HT: Es ist eine Plattform und wir nennen das auch nicht Kurs, sondern es ist eine Journey, eine Reise. Es gibt auch keine Units, sondern jeder Tag ist ein Abenteuer und du gehst Steps. Wir nutzen ein ganz anderes Wording, dass das Ganze emotionalisiert. So gibt es auch keine Tests, sondern Games mit Fragen. Auch hierzu gibt es Studien, die 35% mehr Engagement belegen, wenn du das Wording „Games“ wählst.
„Lernen passiert“ ist euer Motto, vereinfacht ihr damit nicht das Handwerk?
HT: Die Methode nennt sich ‚believe, learn, share‘. ‚Believe‘ macht den Anfang, wir arbeiten in den ersten drei Wochen mit Glaubenssätzen. Wenn du glaubst, du schaffst es, oder wenn du glaubst, du schaffst es nicht, du wirst du immer Recht behalten. Ist nicht von mir, ist von Henry Ford.
“Wenn Du glaubt, du seist ein Würschtel und es kümmert sich keiner um diesen Glaubenssatz, dann wirst du immer ein Würschtel bleiben.”
Soll heißen, ihr sagt allen Menschen von Anfang an wie gut sie sind?
HT: Wenn du eine Schule beginnst und du glaubt, du seist ein Würschtel und es kümmert sich keiner um diesen Glaubenssatz, dann wirst du immer ein Würschtel bleiben. Wenn wir aber alternative Sätze anbieten, dann schaffen wir eine ganz andere Lernbasis. Natürlich läuft das alles auf unterschiedlichen Ebenen ab, wir arbeiten ganz stark unbewusst – das ist ein ganz unbewusstes Vorbereiten aufs Lernen.
Und dann geht Lernen einfach?
HT: Auch dazu muss ich ausholen. Es gibt vier Phasen des Lernens: die erste Phase, ‚unbewusst unfähig‘, da weißt du noch nicht, dass du nichts kannst. Die zweite Phase, ‚bewusst unfähig‘, plötzlich erkennst du, was du alles nicht weißt. Dann denkst du dir, auweia, ich kann das alles gar nicht, der andere kann das viel besser. Wenn du dran bleibst, dann wirst du ‚bewusst fähig‘, das ist die dritte Phase. Die letzte und vierte Phase ist die ‚unbewusst fähig‘, dann bist du aber immer in einem Trance-Zustand.
Und da wollt ihr hin?
HT: Ja, denn erst dann kannst du besser werden! Unser Gehirn muss in der Sekunde 11. Mio. Informationen verarbeiten, das geschieht unbewusst. Nur 40 Informationen verarbeiten wir bewusst.
Wie geht es weiter, wenn das Selbstbewusstsein aufgebaut ist
HT: Natürlich fängst du parallel auch schon zu lernen (learn) an und dann kommt die Sharingkomponente hinzu, die ist ganz wichtig, egal was du kannst. Das ist weitestgehend wie ein Test. Es ist das Wiederholen, das Learning effektiv macht: ‚ich hol’s wieder aus mir heraus‘.
“Unser Gehirn braucht 25% an Energie, um unwichtige Bilder auszublenden.”
Also was mache ich als erstes, wenn ich in mein tägliches Adventure gehe?
HT: Du stimmst dich ein mit Audiofiles, die du dir 5-10 Minuten anhören kannst, bevor du zu Arbeiten beginnst. Die Vorbereitung ist am allerwichtigsten. Allein 15 Minuten Investment sind höchsteffektiv. Hier gehst du in einen Trance Zustand, das sind bimodale Beats, mit denen du in einen Alphazustand kommst und dich stark fühlst. Lernen passiert hier nebenbei. Diese Coaching Units sind keine Videos, denn hier lenken Bilder ab. Unser Gehirn braucht 25% an Energie, um unwichtige Bilder auszublenden. Diese Ablenkungen verhindern in vielen sogenannten Lernvideos das eigentliche Lernen.
“Bevor du Haare schneidest, wird ein paar Tage Papier geschnitten.”
Das ist nun viel Psychologie, wann wird denn geschnitten?
HT: Bevor du Haare schneidest, wird ein paar Tage Papier geschnitten.
Moment, ihr beginnt mit Papierschneiden?
HT: Dahinter steckt ein wichtiger Gedankengang: Mit 5 Jahren haben wir alle mit der Papierschere am Papier gearbeitet. Das heißt wir kombinieren etwas, das du schon immer kennst, mit etwas, das du noch nicht kennst. Das ist evolutionäres Lernen und auch hier sind die Übungen immer kleine Häppchen, du hast nie das Gefühl, dass das irgendwie schwer ist. Du fühlst dich immer irgendwie fähig.
“Wir kombinieren etwas, das du schon immer kennst, mit etwas, das du noch nicht kennst.”
Ok, das hab ich jetzt verstanden. Wie und wann kommt man dann zum ersten Mal ans Haar?
HT: Das kommt als nächstes am Puppenkopf, aber es geht los mit Kämmen.
Woher erhalten die Schüler das korrekte Equipment wie Trainingskopf und Schere?
HT: Das müssen sich die Teilnehmer selbst bestellen, wir geben Empfehlungen und Bezugsquellen an. Bei L’Image erhalten sie einen Rabatt auf Puppenkopf mit Echthaar.
Und dann geht es zum Kämmen?
HT: Hier gibt es Coaching Einheiten und du findest deine Superkraft, hier geht’s ums Imitieren. Das ist ein Turboboost im Lernen. Denn der Körper lernt und nicht das Gehirn. Da sind wir dann auch wieder bei der Intuition.
Es gibt doch viele wichtige Basics wie Fachsprache.
HT: Für was brauche ich einen Fachjargon, bevor ich überhaupt etwas machen kann? Das interessiert dich ja nicht. Das ist ja viel spannender, wenn es dann mal automatisch kommt. Letztes Jahrhundert war die Zeit des empirischen Vorgehens, jetzt bewegen wir uns in der Zeit der Intuition.
“Imitieren – damit aktiviere ich viel mehr Wahrnehmung im ganzen Körper…”
Du hast eben gemeint, Imitieren ist ein Turboboost im Lernen, wie meinst Du das?
HT: Indem ich mehr als zusehe, nämlich gleich mitmache, imitiere ich und mache Bewegungen nach, damit aktiviere ich viel mehr Wahrnehmung im ganzen Körper und noch wichtiger im Raum.
Raum?
HT: Open Focus. Du nimmst nicht mehr das wahr, was ist, sondern du nimmst den Raum dazwischen wahr. Das basiert auf fernöstlicher Tradition. Wir fokussieren im Westen viel mehr auf das, was ist, damit wir angreifen können, aber nicht auf das, was zwischen uns ist, der Raum. Ein Beispiel, wenn du mit beiden Händen links, rechts etwas machst, kannst du dich nicht auf beide Hände konzentrieren. Konzentriere dich auf den Raum und du bist gleich viel entspannter.
Jetzt mach ich die Reise und haben den Trainingskopf geschnitten. Erhalte ich ein Zertifikat?
HT: Ja, am Ende gibt’s auch ein Zertifikat.
Darf ich damit ohne Lehre im Salon Haare schneiden?
HT: Das ist ja irrelevant. Ob du in einem Salon arbeiten darfst, entscheidet einzig der Arbeitgeber. Wenn du dich bei mir bewirbst und du bist gut, dann nehme ich dich. Bei einem Vorschneiden kannst du beweisen, dass du diese Fähigkeit hast.
Das heißt also, Meisterprüfung brauch ich nicht unbedingt?
HT: Unterstützend ist das schon, wenn du in der Lehre bist und einen Kurs machst, ist das natürlich zielführend.
Wer ist denn die Zielgruppe? Wen sprichst du an?
HT: Die Hairdressing.school ist ein Rundum-Sorglos-Paket für alle Unternehmerinnen und Unternehmer, die ihren Erfolg selbst in die Hand nehmen wollen.
“Das wäre ja Wahnsinn und vollkommen undemokratisch.”
Im Lockdown gab es viele Shitstorms, wenn Nicht-Friseure Haare schneiden wollten. Hast du keine Angst unter Beschuss zu geraten?
HT: Nein, da freu ich mich sogar ein bisschen drauf. Es ist eine Neuerung, so etwas geht immer auch mit Widerstand einher. Wir sagen auch dezidiert, dass das keine Friseurausbildung im klassischen Sinne ist.
Es ist eine Ausbildung, bei der du wie ein Profi Haare schneiden lernst. Das zu lernen kann dir aber niemand verbieten. Das wäre ja Wahnsinn und vollkommen undemokratisch.
Aber denkst du nicht, dass das gefährlich ist? Da lernen Leute bei dir online Haareschneiden, und dann werden sie nicht genommen, weil sie keine richtige Ausbildung haben.
HT: Ob du ein super Friseur wirst, hast du selbst in der Hand. Wir unterstützen dich dabei in höchstem Maße.
Lieber Hannes, vielen Dank für das interessante Gespräch. Ich bin gespannt, wie sich dein System etabliert.