Trotz Überbezahlung keine Mitarbeiter, und wenn ja, dann nur in Teilzeit. Arbeitszeit abgerechnet wird im Minutentakt, unbezahlte Überstunden sind tabu. Alles fürs Image und doch zu wenig…
Im Gespräch mit Katja Ottiger von imSalon.at
Frau Benedikt, Sie haben Anfang des Jahres auf die 4 Tage Woche umgestellt. Warum?
Raphaela Bendikt: Weil ich meine Öffnungszeiten nicht mehr halten konnte. Meine einzige Vollzeit-Mitarbeiterin ging in Karenz und ich kann für sie bis jetzt keinen Ersatz finden. Ich habe das Gefühl, niemand möchte mehr in Vollzeit arbeiten. Es ist egal, mit wem ich rede, den meisten Geschäften geht es ähnlich.
„Geld spielt längst keine Rolle mehr, denn Freizeit ist damit nicht aufzuwiegen.“
Wie darauf reagieren?
RB: Man kann nur darauf reagieren, in dem man sich darauf einstellt. Es gibt immer weniger Vollzeitkräfte, also hat man einfach mehr Mitarbeiter in Teilzeit. Die Freizeit ist den Leuten mehr wert als Geld. Das ist eine neue Generation, bei der die Work-Life-Balance passen muss. Im Endeffekt bekommen sie in der Teilzeit netto nicht so viel weniger als in Vollzeit. Und das ist genügt vielen. Freizeit ist mit Geld nicht aufzuwiegen. Ich bezahle von Haus aus über Kollektiv und trotzdem finde keine neuen Mitarbeiter. Geld allein spielt längst keine Rolle mehr.
Ihre Mitarbeiter*innen sind ausschließlich Teilzeitkräfte. Das birgt auch Vorteile?
RB: Ein Vorteil ist, wenn jemand ausfällt, muss man keine 40 Stunden umbuchen, sondern nur 20 oder 30 Stunden, das empfinde ich als positiv. Auf der anderen Seite fehlen Mitarbeiter, wenn jemand auf Urlaub ist. Dann steht man nachmittags schon mal schnell allein im Geschäft.
„Der freie Tag ist allein für den Lehrling da.“
Sie haben auch einen Lehrling im 2. Lehrjahr. Ist die 4 Tage-Woche Vorteil oder Nachteil?
RB: Auf jeden Fall ein Vorteil. Der freie Tag ist momentan rein für den Lehrling da, alle Trainings können in Ruhe stattfinden. Unter der Woche wird sie, unser Lehrling, im Salon mehr eingesetzt, muss viele Dinge schneller erledigen und wird dadurch mehr in die Selbstständigkeit gestoßen.
Sie arbeiten mit minutengenauer Arbeitszeitabrechnung, bewerben das auch via Jobanzeige – wie muss ich mir das vorstellen?
RB: Meine Mitarbeiter melden sich an, wenn sie zu arbeiten beginnen bzw. melden sich zur Pause und bei Dienstende ab. Das geht bei uns minutengenau und wird nicht gerundet. Jede Minute, die gearbeitet wird, wird bezahlt, es gibt bei uns keine unbezahlte Minute. Das ist gerechtes Arbeiten.
Verwenden Sie hierfür ein Zeiterfassungssystem?
RB: Ja, wir verwenden das digitale Zeiterfassungssystem „Xtime“, bei dem sich jeder Mitarbeiter am PC separat ein- und ausloggt.
Sie sind im Mittelpreissegment angesiedelt, Ihre letzte Preiserhöhung war im Februar. Wie oft erhöhen Sie?
RB: Normalerweise aller zwei Jahre. Allerdings werde ich, wenn ich mir die aktuelle Entwicklung momentan anschaue, die Preise in diesem Jahr nochmals anpassen müssen.
„Es muss sich rentieren, arbeiten zu gehen.“
Corona, Kurzarbeit, „private“ Dienstleistungen. Wie glauben sie, kann es gelingen, Friseur*innen, die derzeit arbeitslos gemeldet sind, wieder in die Salons zu holen?
RB: Ich glaube, dass es nur funktionieren kann, wenn einerseits vonseiten der Regierung die Sozialleistungen soweit hinuntergeschraubt werden, dass es sich wieder rentiert, arbeiten zu gehen. Und andererseits müssen die Sozialabgaben gesenkt werden, damit den Mitarbeitern deutlich mehr übrigbleibt. Wenn ich zu Hause bleibe und Arbeitslosengeld bekomme, muss das deutlich weniger sein als das, was ein Mitarbeiter, der 30 Stunden im Salon steht, bekommt. Dieser Unterschied ist im Moment nicht gegeben, da geht es monatlich um 200 – 300 Euro, die verdienen sich viele aber lieber nebenbei dazu.
Ein Minimum, um neue Mitarbeiterinnen gewinnen zu können, sind übertarifliche Bezahlung plus Umsatzbeteiligung?
RB: Unter anderem. Aber selbst damit findet sich niemand und ehrlich gesagt, geht mir langsam auch die Kreativität aus. Ich biete jeder und jedem Weiterbildung und die Möglichkeit, sich individuell Seminare nach Wunsch auszusuchen. Ich selbst war eine Zeitlang Trainerin bei L’Oréal, kann also gut ausbilden und fördere selbstständiges Arbeiten, bis hin zur Möglichkeit der Salonleiterstellvertretung. Aber es bleibt schwierig.
Und da wäre noch das Dilemma mit dem Image und den Nachwuchsproblemen…
RB: Ja. Unserem Beruf muss unbedingt ein besseres Image verpasst werden. Wir müssen weg von dem Denken: „Mir fällt nichts Besseres ein, also werde ich Friseurin“. Vielmehr müssen wir das Anspruchsvolle unseres Berufes hervorheben.
„Lehre mit Matura! Jungen Leuten genügt es nicht mehr, Pflichtschulabsolvent zu sein.“
Ihre Ansätze?
RB: Lehre mit Matura muss in unserer Branche mehr gefördert werden! Darin sehe ich die einzige Möglichkeit, das Image zu stützen. Die Jugend möchte nun mal maturieren, studieren, sich weiterbilden. Das ist der Zeitgeist. Und hier sind die Innungen in der Pflicht. Es braucht mehr Möglichkeiten, diesen Beruf zu ergreifen. Eine meiner Mitarbeiterinnen beispielsweise ist nach ihrer Matura in Kärnten extra nach Wien gezogen, um ihre Ausbildung zur Friseurin im zweiten Bildungsweg beim WIFI machen zu können, weil sie zu Hause nichts Derartiges gefunden hatte. Deshalb müssen wir uns bewegen! Es genügt den jungen Leuten nicht mehr, Pflichtschulabsolvent zu sein.
Über Raphaela Benedikt
- 1 Salon in Wien 19., „Raphaela Benedikt“, seit 12 Jahren
- 3 Mitarbeiter inkl. 1 Lehrling