Mit eigenem Azubi-Salon startet Corina Hahn im Herbst in ein neues Ausbildungskonzept. Denn trotz sinkender Ausbildungszahlen in der heimischen Branche bleiben ihre konstant.
Im Interview mit Katja Ottiger | imSalon.de
„Jungstylisten sollen sich im „Rookie-Salon“ austoben
und entwickeln können.“
Ein eigener Azubisalon – wie kam es dazu?
Corina Hahn: Obwohl das immer einer meiner Träume war, war es jetzt doch Zufall. Ich habe ein Geschäft Wand an Wand zu unserem Salon dazu mieten können. Im Zeichen von C (Corona, Anm.) hatten wir immer wieder Platzprobleme, die wir damit lösen konnten. Und um unsere Platzerweiterung optimal auszunutzen, wird der Salon von Montag bis Donnerstag zum Azubisalon.Denn wir möchten ein neues Ausbildungskonzept etablieren, bei dem sich Jungstylisten nach der Ausbildung ein halbes Jahr oder länger im „Rookie-Salon“ austoben und entwickeln können. Denn ein schüchterner Mensch braucht eine Bühne zum Tanzen, um mit der Zeit wachsen zu können.
Wie soll der Azubisalon praktisch ablaufen?
CH: Wir haben zehn Leute in Ausbildung, verteilt auf drei Salons. Ab dem 2. Lehrjahr geht es für jeden Lehrling regelmäßig in den „Azubisalon“. Zwei Jungstylisten, die jetzt ihre Prüfung haben, werden feste Mitarbeiter sein und dort als Leader die Jungen unterstützen. Ihnen zur Seite steht eine Ausbilderin, wechselnd aus unseren anderen Salons. Das 1. Lehrjahr bleibt in den Salons für die Basics und die Assistenzen, denn wir terminieren mit den Azubis.
Und die Aufgabengebiete im eigenen Azubisalon?
CH: Wir wollen, dass sie das Lernfeld „Salonorganisation“, dass sie in der Berufsschule haben, bei uns von der Theorie in die Praxis umsetzen und damit lernen, Verantwortung für alle Bereiche zu übernehmen. So können sie sich selbstständig organisieren, Termine vereinbaren, später auch die Kasse machen und unter Anleitung der Leader eigene Prozesse festlegen. Kurzum alles bis hin zum Wareneinkauf.
Birgt dieses System finanzielle Anreize für Auszubildende?
CH: Im Moment zahlen wir unsere Lehrlinge nach Tarif, unsere Friseure bekommen Leistungslohn. Vielleicht wäre das aber ein Konzept bei den Rookies.
Was sagen die Azubis zum eigenen Salon?
CH: Die einen freuen sich, andere haben etwas Angst, ab dem zweiten Lehrjahr bereits am Kunden zu arbeiten.
„Ich führe, in dem ich meine Mitarbeiter in ein Gefühl führe.“
Corona war auch für Lernende eine Herausforderung. Was hat sich bei den Azubis verändert?
CH: Sie sind sensibler in der Wahrnehmung geworden, ihren Arbeitsplatz verlieren zu können. In der Berufsschule haben sie teilweise mitbekommen, dass Lehrlinge anderer Salons entlassen wurden. In unserem Unternehmen lebe ich eine große Transparenz. Ich führe, in dem ich meine Mitarbeiter in ein Gefühl führe. Ich nehme sie mit und zeige auch die Zahlen auf: Denn wir sitzen in einem 16-er Ruderboot und müssen zusammen ans Ziel in der gleichen Richtung.
Sind Azubis mit solchen Erfahrungen engagierter?
CH: Das ist eine gute Frage, über die ich wirklich nachdenken muss …
Ich bemerke bei jedem Schritt, den sich machen, dass sie besser und selbstbewusster und damit automatisch auch fleißiger werden.
„Ausbildung ist Freud und Leid zugleich.. Ja und Ausbildung kostet Geld und Nerven”
Immer weniger Unternehmer bilden aus. Wie finden Sie das?
CH: Ich verfolge immer wieder diese Diskussionen egal ob bei Vereinen oder Verbänden und natürlich auch bei Social Media. Dass viele keinen Bock mehr haben auszubilden, ist ja kein neues Problem. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es ganz viele Enttäuschungen, aber auch viele „Magic Moments“ bei den Entwicklungen der Jugendlichen gibt. Ich finde, es balanciert sich immer wieder aus. Ausbildung ist Freud und Leid und mit viel Arbeit und Kosten verbunden.
Wie geht es Ihnen, wenn ausgelernte Azubis von Salons abgeworben werden, die das Geld, statt in Ausbildung, lieber ins Einstiegsgehalt fertiger Jungstylisten stecken?
CH: Das ärgert mich nicht mehr. Es ist, wie es ist. Mein Ego ist da nicht mehr so groß. Wenn das Catching in den Berufsschulen losgeht … ich kann es nicht verhindern! Ich sehe es eher mit Stolz, dass jemand meinen Lehrling haben will. Auch wenn das leichter klingt, als es ist.
Ein Azubi, der den Salon freiwillig verlässt – nimmt man das persönlich?
CH: In der Tat! Früher gab es Momente, in denen ich mich wieder kultivieren und zurücknehmen musste. Vor allem dann, wenn man glaubt, dass es besonders gut läuft und einem jemand ans Herz gewachsen ist. Natürlich kann ich niemanden an mich binden.
Ver.di fordert eine ►Umlagefinanzierung für die, die nicht ausbilden. Was halten Sie davon?
CH: Alle über einen Kamm scheren, ist schwierig. Es gibt verschiedene Gründe, warum die Leute nicht mehr ausbilden. Manche haben keine Meisterprüfung, andere kein Interesse oder können aus gesundheitlichen Gründen nicht ausbilden. Oder sie bekommen keine Bewerbungen. Die Bocklosen unter denen werden Sie nie herausfiltern können.
Ich würde sagen, in diesem Jahr hatten wir Glück, denn im Herbst werden wir vier neue Lehrlinge aufnehmen.
„Ich bin robuster geworden und möchte keine Schlaftabletten mehr durchziehen.“
Wie läuft es denn mit den Bewerbungen?
CH: In den letzten Jahren habe ich folgende Erfahrungen gemacht: Wenn die Bewerbungszeit losgeht und alle Unternehmer mit den Hufen scharren und auf den Bewerberregen warten, ist zumeist nicht das richtige dabei. Bei uns sind es die kurzfristigen Bewerber Ende Mai, Anfang Juni. Allerdings auch nicht mehr so viele wie in früheren Jahren. Da waren es im Januar manchmal 70 Bewerbungen, jetzt sind es vielleicht 10. Und ich bin nüchtern genug, die Probezeit abzuwarten, erst dann zählen wir nach. Denn ich bin robuster geworden und möchte keine Schlaftabletten mehr durchzuziehen.
Sie sind Intercoiffeurin und seit kurzem im Vorstand der Intercoiffure Deutschland. Wir gratulieren!
CH: Vielen Dank! Ich bin eine leidenschaftliche Friseurin mit einer großen Liebe für die Branche und seit fast 20 Jahren Intercoiffeurin. Jetzt habe ich die Gelegenheit bekommen, in den Vorstand aufzusteigen. Wahrscheinlich hätte ich mich nie von allein beworben, aber ich wurde empfohlen. Für mich war immer klar, dass ich, wenn wir etwas bewegen können, ein Teil davon sein möchte. Im Moment laufen die Vorbereitungen für das ►Intercoiffure Festival im September.
Wie hilft Ihnen das Netzwerk der Intercoiffure?
CH: Die Intercoiffeure haben mich im ersten Lockdown getragen und aufgefangen. Was unser Präsident Markus Herrmann mitin dieser Zeit auf die Beine gestellt hatte, ist beeindruckend. Anfangs haben wir uns jeden Morgen online getroffen, später dann wöchentlich. Mitzubekommen, dass alle ähnliche Problematiken hatten, formt eine Gruppe nachhaltig. Solch eine Unterstützung hätte ich weder bei der Handwerkskammer noch in der Innung noch beim Zentralverband bekommen und bin sehr dankbar für diese Gemeinschaft.
Über Corina Hahn:
- 3 Salons „Hair by Hahn“ im Landkreis Main-Bingen, Rheinland-Pfalz
- Ab Herbst 2021: 1 Salon für Auszubildende: „Hair by Hahn Rookies“ in Bad Kreuznach
- 6 MitarbeiterInnen | 10 Lehrlinge
- Ausbildnerin seit 1994
- https://www.hair-by-hahn.de/#philosophie