Es braucht ein Umdenken bei der Mitarbeiter*innen-Suche. Der Berliner Salon-Unternehmer, Lars Cordes, setzt seit den letzten Jahren auf Internationalität, da deutsche Friseur*innen ausbleiben. Er erzählt von Integrations-Patenschaften innerhalb des Teams und der Akquise von Ukraine-Flüchtlingen als Neukund*innen …
im Interview mit imSalon.at
Sprach-Patin Nadezda, Olga und Teamleiterin Tina in Spandau
Herr Cordes, über ► JOKIRA und ► Salons für Ukraine haben Sie Mitarbeiterinnen gefunden, die aus der Ukraine geflüchtet sind, arbeiten diese bereits?
Lars Cordes: Wir haben 10 Geschäfte und insgesamt 5 ukrainische Bewerber*innen. Davon haben wir aktuell 3 auf Minijob-Basis eingestellt.
In welchen Salons werden diese neuen Mitarbeiter*innen eingesetzt? Gibt es da gezielt Überlegungen, um diesen Neustart so angenehm wie möglich zu gestalten?
LC: Es wurden gezielt Salons ausgesucht, in denen wir russisch- bzw. ukrainisch-sprechende Personen haben. Die neue Kollegin, Olga, ist gestern gestartet. Natürlich ist es mit der Sprachverständigung schwierig, da sie kein Deutsch spricht. Im Team sind aber zwei russisch sprechende Mitarbeiter, die Olga hierbei unterstützen in den Alltag zu kommen.
Ist dann ein Service bei Kund*innen überhaupt möglich?
LC: Ja. Es lief sehr gut gestern. Sie hat auch schon Kunden mit Hilfe von den Kollegen bedient.
“Russisch sprechende Kolleg*innen nehmen sich als Pat*in an.”
Welche Ausbildung hat diese neue Mitarbeiterin?
LC: Sie ist schon seit 20 Jahren Friseurin und war in der Ukraine selbstständige Salonbesitzerin. Den hat sie dort zurückgelassen. Ich habe sie jetzt ein, zwei Mal arbeiten sehen und da machte sie ihre Arbeit gut. Sie ist 38 Jahre alt und lebt bei ihrer Cousine. Das ist eine gute Perspektive, dass die Deutschkenntnisse nach und nach kommen werden.
Ukrainierin Viktoriya bei der Arbeit
Und wo werden die anderen Stylistinnen eingesetzt?
LC: Die zweite Dame habe ich einer Filiale eingesetzt, in der eine russisch sprechende Mitarbeiterin ist. Da wir viele Standorte mit russisch sprechenden Kolleg*innen haben, ist das ein großer Vorteil. Diese nehmen sich dann als Pate bzw. Patin jemandem an. Bei insgesamt 5 Leuten sind wir aber dann am Limit, um für eine gute Integration sorgen zu können.
Wie bereitet man das Team auf eine solche neue Situation vor?
LC: Unsere ukrainischen Mitarbeiterinnen sind von privaten Familien aufgenommen worden. Die unterstützen ungemein in der Kommunikation und darin, eine Verbindung herzustellen. Aber ich muss mein Team nicht allzu sehr auf so eine Situation vorbereiten. Für uns ist es normal ausländische Mitarbeiter anzustellen. Wir haben die ganze Welt zu Gast: Syrien, Iran, Irak, … Das sind tolle Leute, die durch die Flüchtlingswelle 2017 zu uns kamen.
Gab es damals auch Patenschaften? Wer half hier beim Dolmetschen?
LC: Die Friseure haben sehr schnell Deutschkurse absolviert.
“Wenn wir uns dieser Herausforderung nicht stellen – unabhängig von der Ukraine – ausländische, internationale Menschen einzustellen, dann werden wir unsere Läden demnächst schließen können.”
Ist das verpflichtend, um im Team Cordes arbeiten zu können?
LC: Ja, ein Sprachkurs ist wichtig! Das lege ich auch den ukrainischen Mitarbeiterinnen nahe, durch einen Kurs die Sprachkenntnisse zu erwerben. Das ist die einzige Hürde bei uns. Ansonsten trainieren wir unsere Mitarbeiter auf Internationalität, Kollegialität und Nächstenliebe. Wenn wir uns dieser Herausforderung nicht stellen – unabhängig von der Ukraine – ausländische, internationale Menschen einzustellen, dann werden wir unsere Läden demnächst schließen können. Weil es keine deutschen Mitarbeiter*innen mehr gibt.
Wann hat es gestartet, dass Sie bewusst ein multikulturelles Team mit unterschiedlichem Knowhow zusammenzustellen?
LC: Ich muss gestehen, ich bin da anfangs gar nicht so strategisch ran gegangen. Es ergab sich über die Auszubildenden. Wir haben jährlich 10-15 Friseur*innen im ersten Lehrjahr und da haben sich einfach immer mehr internationale Personen beworben. Nach 2015 bekamen wir sehr viele Bewerbungen von männlichen Friseuren z.B. aus Syrien oder dem Iran.
Was bringen die syrischen oder iranischen Friseure mit in ihr Unternehmen?
LC: Das waren junge Stylisten mit einem sehr gepflegten, coolen Style und tollem Talent. Der Friseurberuf ist in Syrien angesehen. Man schneidet mit Stolz Haare.
Bewerben sich auch so junge Friseur*innen aus der Ukraine?
LC: Im Schnitt sind die Bewerberinnen um die 38 Jahr alt, mit Ausnahme einer 21-jährigen.
“Wenn man hier plötzlich mit „Weltoffenheit“ zum Werben anfängt, hat man vergessen, an welchem Ort man sich befindet.”
Haben Sie Business-Empfehlungen, wenn man geflüchtete Menschen anstellt?
LC: Das ist ein sehr sensibles Thema. Wir sind hierzu wenig an die Öffentlichkeit gegangen. Denn, wenn ich das zum Thema mache, kommt oft die Frage: „Warum wird die Ukraine-Hilfe so positiv hervorgehoben und andere Fluchtbewegungen nicht?“
Unsere Salons sind aber international und uns ist vollkommen gleichgültig, welche Religion, welches Land, welches Geschlecht, welche Sexualität, … Man muss aber auch sagen, dass Berlin eine Stadt ist, die den Quantensprung geschafft hat, spätestens seit Klaus Wowereit als Bürgermeister gesagt hat: „Ich bin schwul und das ist gut so!“. Wenn man hier plötzlich mit „Weltoffenheit“ zum Werben anfängt, hat man vergessen, an welchem Ort man sich befindet. Deswegen werden wir hierzu nichts „werbetechnisches“ umsetzen.
“Ich akquiriere sozusagen die Flüchtlinge als Kunden.”
Wir stellen aber fest, dass zunehmend ukrainische Kundschaft in unsere Salons kommt. Deswegen möchten wir Flyer erstellen, denn die suchen ihresgleichen, damit sie sich verständigen und austauschen können. Wir möchten deswegen sagen: „Hier können sich ukrainische Kunden die Haare machen lassen und sich in der Landessprache austauschen.“ Ich akquiriere sozusagen die Flüchtlinge als Kunden.
Außerdem lasse ich gerade Informationsbroschüren aufbereiten, welche Sprachen meine Mitarbeiter*innen anbeiten. Ich möchte weg von mein*e Mitarbeiter*in ist aus Griechenland, Peru, Syrien, Türkei, Iran, Irak oder Ukraine. Ich möchte dorthin: Mein*e Mitarbeiter*in kann Kund*innen in folgenden Sprachen ein Haar-Service anbieten. Das ist ein USP.
Wird es da Sonderkonditionen geben? Oder bieten sie ein Stärken der Community zu stärken?
LC: Wir werden zunächst einmal in diesem Jahr Junior-Hairdesign-Preise für ukrainische Flüchtlinge anbieten.
Danke für das spannende Gespräch und alles Gute für Sie und Ihr Team!
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