Bundesinnungsmeister Wolfgang Eder ist mit den diesjährigen Kollektivvertragsverhandlungen zufrieden und erklärt, warum das Ergebnis ein wichtiges Signal für die gesamte Branche ist.
Bei den KV-Verhandlungen hat man sich auf ein Gehaltsplus von durchschnittlich 9,95 % geeinigt (► KV 2023). Von Gewerkschaftsseite wurde deutlich mehr gefordert. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?
Wolfgang Eder: Aus meiner Sicht ist das Ergebnis für beide Seiten zufriedenstellend, denn wir sind unserem gemeinsamen Ziel ein Stück nähergekommen, den FriseurInnenberuf für zukünftige Generationen attraktiv zu gestalten – die Basis dafür ist eine ansprechende Entlohnung. Aus Arbeitgebersicht konnten wir durch den früheren Abschluss der Verhandlungen – aufgrund der zu erwartenden weiter steigenden Inflationsentwicklung – schwierige Diskussionen über einen spürbar höheren Abschluss im März vermeiden.
Wie sehen die Verhandlungsergebnisse im Detail aus?
W.E.: Wir konnten einen ausgewogenen Mix aus sozialer Staffelung, nachhaltiger struktureller Erhöhung und kurzfristigen Unterstützungsleistungen erreichen. Die Löhne und Gehälter steigen ab 1. April 2023 um 165 Euro im Monat. Hinzu kommt eine dreimalige Teuerungsprämie in Höhe von jeweils 120 Euro in den Monaten Jänner, Februar und März – Lehrlinge bekommen 60 Euro. Mit dem aktuellen Abschluss kommen wir dem Ziel von 2000 Euro brutto im Monat als Mindestlohn der Branche schon einen großen Schritt näher.
Warum ist Ihnen eine zufriedenstellende Entlohnung der Mitarbeitenden so wichtig?
W.E.: Unsere Branche hat – so wie viele andere auch – mit einem strukturellen Problem zu kämpfen, für das wir gemeinsam mit den politischen Verantwortlichen eine Lösung finden müssen. Neben den stark steigenden Energiepreisen, der hohen Inflation und der geringen Liquidität der Unternehmen ist es vor allem der Mangel an Fachkräften, der uns zu schaffen macht. Und genau hier wollen und müssen wir ansetzen: Fachliche Kompetenz muss auch entsprechend entlohnt werden. Es kann nicht sein, dass MitarbeiterInnen einen Zweit-Job brauchen, damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Oder, dass junge Fachkräfte als Hilfskräfte in einen Industriebetrieb wechseln, weil sie dort mehr verdienen. Hier geht nicht nur wichtiges Know-how verloren, sondern es entsteht ein nachhaltiger volkswirtschaftlicher Schaden.
Wie könnte eine mögliche Lösung für dieses Problem aussehen?
W.E.: Wir müssen hier langfristig denken und so rasch wie möglich die notwendigen Weichen für eine nachhaltige strukturelle Verbesserung setzen. Aufgrund der Komplexität des Themas wird es aber keine einfache Lösung geben, sondern wir müssen an verschiedenen Stellschrauben drehen. Erste Maßnahmen könnten etwa sein:
• Mehrwertsteuer-Reduktion auf 10 %: Aufgrund der Kleinstunternehmerregelung muss bis 35.000 € keine Umsatzsteuer abgeführt werden. Damit befindet sich die Friseurbranche in einer fiskalischen Zweiklassengesellschaft und bevorteilt jene, die ihre Preise exklusive 20 % Umsatzsteuer anbieten können. Diese machen mittlerweile mehr als 60% der Friseurunternehmen aus, Tendenz steigend. Dies benachteiligt Unternehmen, die Mitarbeiter anstellen, Ausbildungen fördern und eine hohe Abgabenquote bezahlen.
• Abschaffung der Sozialversicherungskosten bei Lehrlingen:
SchülerInnen und Studierende dürfen bis zum Abschluss ihrer Ausbildung bei ihren Eltern mitversichert sein und erhalten zahlreiche Vergünstigungen, wie etwa Fahrscheinermäßigungen. Wir fordern Gerechtigkeit und eine Gleichstellung von Lehrlingen mit Menschen in schulischen Ausbildungsformen.
• Vermehrte und regelmäßige Kontrolle von Betrieben, bezüglich Sozialbetrug und Schattenwirtschaft: Stärkere Kontrollen könnten einen fairen Wettbewerb sichern.
• Ahndung der überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit im Friseurhandwerk: Im Friseurhandwerk sind derzeit 8,8 % der dem Markt zur Verfügung stehenden Mitarbeitenden arbeitslos gemeldet, obwohl in der Branche Fachkräftemangel herrscht. Arbeitslosengeld, staatliche Zuwendungen wie Wohnungsbeihilfe etc. und einige „private“ Kunden pro Tag ergeben in Summe nicht selten ein Nettoeinkommen, das jenes einer Vollzeitkraft übersteigt.
• Strengere Regulierung des Zuverdienstes: Die Möglichkeit von zeitgleichem Bezug von AMS-Unterstützungen und geringfügigem Zuverdienst macht den Wiedereintritt in ein reguläres Dienstverhältnis absolut unattraktiv. Daher ist diese Zuverdienstvariante streng zu überprüfen und durch eine zielführendere Maßnahme zur Wiedereingliederung in den regulären Arbeitsmarkt zu ersetzen.