Credit: Ela Photography

Christoph Sponer: Anfragen zu Workshops für gehörlose Friseur*innen steigen

Vom Barbie-Coiffeur in die Selbstständigkeit hat sich als Christoph Sponer seinen Traum erfüllt. Er erzählt, wie seine Ausbildung als gehörloser Friseur war, von Salon-Smalltalks und warum es ein Gewinn ist, gehörlose Friseur*innen einzustellen!

Im Chat-Interview mit Juliane Krammer von imSalon.at

Wann war der Zeitpunkt, an dem du wusstest, dass du Friseur werden willst?
CS:
 Ich war 9 Jahre alt, als ich meinen Barbies die Haare abschnitt. Meine Mutter hat sich daraufhin beschwert, dass die Puppen so teuer sind … aber ich ließ mich nicht aufhalten und wollte mehr Haare schneiden. Zu Weihnachten bekam ich einen Trainingskopf geschenkt und war ab dann nur mehr mit diesem beschäftigt. Diese standen immer auf meiner Fensterbank im Kinderzimmer … Insgesamt 9 Stück nutzte ich zum Üben und dann startete ich meine Ausbildung.

Wie kam es dann zur Ausbildung? Bist du den klassischen Weg der Friseurausbildung gegangen?
CS
: Um zu testen, wie ich in Punkto Kommunikation klarkomme, habe ich ein Praktikum gemacht. Mein Ausbilder war vom Fleck weg von meiner Fähigkeit begeistert.

Du bist gehörlos! Wie war das für deinen damaligen Chef?
CS:
 Ich habe ihn gefragt, ob er sich vorstellen kann, mich als Lehrling einzustellen. Er wollte es probieren und hat mir die Chance gegeben.

Wie war es in der Berufsschule für dich?
CS:
 Schwierig. Wir waren 29 Schüler*innen und ich kam mit dem Tempo nicht nach, da ich nicht schreiben und Lippen lesen gleichzeitig kann. Am Ende des Unterrichts musste ich alles vom Nachbar abschreiben. So ging es für mich nicht weiter. Ich wollte einfach einen guten Abschluss haben.

Wie konntest du die Lehrzeit abschließen?
CS: 
In Essen gibt es ein Berufskolleg. Das ist eine berufsbildende Schule des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) für hörgeschädigte Jugendliche. Ich bin zum Arbeitsamt und habe den Antrag gestellt und ab dem 2. Lehrjahr gewechselt. Zwei Mal im Jahr war ich für 6 Wochen am Stück dort – inklusive Übernachtung im Internat. So konnte ich erfolgreich meine Ausbildung abschließen. Das war eine der schönsten Zeiten in meinem Leben.

“… das Arbeiten mit Maske war für mich sehr schwierig. Ich konnte keine Lippen lesen …”

Und wie kam es zu deinem eigenen Salon?
CS:
Mein Konzept hatte ich bereits 2019 ausgearbeitet, ist aber aufgrund von Corona wieder in der Schublade verschwunden. Dann startete ich in einem neuen Salon, aber das Arbeiten mit Maske war für mich sehr schwierig. Ich konnte keine Lippen lesen, ich wollte aufhören, war depressiv … hab alles hinterfragt. Nachdem die Masken in den Salons keine Verpflichtung mehr waren, hatte mich mein Mann an meine Salon-Idee erinnert.

“Es kommen auch immer mehr Anfragen rund um Workshops für gehörlose Friseur*innen.”

Bildest du in deinem Salon aus?
CS:
Im Moment ist das nicht der Fall, da ich in der Aufbauphase bin … Aber seit 2013 war ich in drei verschiedenen Salons unter anderem auch für die Lehrlingsausbildung verantwortlich und veranstaltete Übungsabende. Es kommen auch immer mehr Anfragen rund um Workshops für gehörlose Friseur*innen. Das ist ein Projekt, an dem ich gerade dran bin.

Wissen deine (Neu)Kunden schon vorher, dass du gehörlos bist? Bzw. gibt es Regeln oder Richtlinien in deinem Salon, die es in “herkömmlichen” Salon nicht gibt?
CS
Ich kommuniziere das über Google und Social Media, dass ich nur von den Lippen ablesen kann. Die meisten wissen das und kommen auch durch Empfehlungen. Habe mir in den Jahren meiner Tätigkeit viele Stammkund*innen aufgebaut und bin bis Ende des Jahres fast komplett ausgebucht. Nur noch einzelne Termine sind frei. Das Feedback überwältigt mich!

Wie viel Zeit planst du für die Beratung ein?
CS:
 5-15 Minuten – so wie in anderen Salons auch.

Wie können potenzielle Arbeitgeber*innen gehörlose Friseur*innen finden?
CS:
Ganz einfach: auf einer Schule für Gehörlose. Es gibt viele, die gerne diesen Beruf ausüben wollen, glauben aber, dass das nicht funktioniert.

Was wünscht du dir für andere gehörlose Friseur*innen oder diejenigen, die es werden wollen? Was hat dir gefehlt?
CS:
 Gebärdensprache!!!

Was unterscheidet die Ausbildung von dir zu Friseur*innen, die hören können?
CS:
Ich musste Vieles neu kennenlernen und mich viel vorbereiten, als ich keinen Gebärdensprache-Support in der Schule hatte. In der Meisterschule gab es einen Online-Dolmetscher. Über Laptop, Mikro und Bild haben wir uns verständigt. Das machte das Lernen einfacher, aber der Dolmetscher war natürlich mit Kosten verbunden.

Was empfiehlst du anderen gehörlosen Menschen, die gerne das Handwerk Friseur lernen wollen und sich nicht sicher sind, ob das klappt?
CS:
Zeig was du kannst, erkläre deutlich, wie man am besten miteinander kommunizieren kann und bringe den anderen Gebärdensprache bei. Das macht Spaß! Es ist auch ein Mehrwert für den Salon, wenn Team-Mitglieder mit gehörlosen Kund*innen kommunizieren können. Es ist manchmal nicht einfach, aber es geht!

Gibt es bei dir auch Friseur-Smalltalk?
CS:
Ja, klar! Als Friseur habe ich gelernt, über den Spiegel Lippen zu lesen. Wenn nun jemand sehr schnell spricht, ohne Punkt und Komma, da kann es schwierig werden. Aber da mach ich darauf aufmerksam und das funktioniert. Genauso wurde meine Aussprache durch meinen Job viel besser, früher war diese nicht so klar und deutlich! Somit ein Win-Win: Hektische Kund*innen kann ich somit Entschleunigen und selbst lerne ich auch dazu!

Vielen Dank, Christoph, für dieses sehr spannende Chat-Interview! Alles Liebe für die Zukunft!